Über 3000 Pfanzenarten nutzen Ameisen zur Verteilung ihrer Samen. Als Sonderform der Tierverbreitung (Zoochorie) bezeichnet der Biologe sie als Myrmechorie. Das Schneeglöckchen, Schöllkraut und die Walderdbeere sind drei bekannte Vertreter aus dem Reich der Pflanzen, die für die Verbreitung der eigenen Art auf das Transport-Unternehmen Ameisen setzen. Und das mit großem Erfolg, wie Untersuchungen des deutschen Botanikers Bresinsky ergaben. Allein eine einzige Waldameisen-Kolonie befördert jährlich etwa 36.000 Samen.
Forschungen des amerikanische Botaniker Whitney stellen Interaktionen von Pflanzen und Tieren in den Mittelpunkt. Er deckt bei den australischen Verwandten eine erstaunliche Streckenleistung von 180m auf. Dies mag auf den ersten Blick gar nicht so erstaunlich sein, wie angekündigt. Aus menschlicher Sicht erscheint die Zahl sogar recht mickrig. Wir dürfen die Körpergröße der Ameise jedoch nicht vergessen. Nehmen wir eine Größe von 1cm an, welches sowohl für Waldameisen als auch für die australischen meat ants „nett gerechnet“ ist. Demnach müsste ein 1,80m großer „Durchschnitts-Mann“ den Samen 32,4km – also einmal quer durch Berlin tragen. Nun kommen wir also dem Prädikat staunen schon näher. Damit dieser Transport erleichtert wird, haben Pflanzen mitgedacht und erschaffen Samen, die über kleine Ausbuchtungen verfügen. Wie ein Henkel wird das Tragen für die Ameisen erleichtert, da schafft man gleich noch ein paar Meter mehr und das ist ganz im Sinne des Erbauers.
Bei einigen Ameisenarten steht der Samen jedoch auf dem Speiseplan und so wird die Anzahl der Keimlinge reduziert. Der Aktion folgt einer Reaktion… denn auch die Pflanzen „denken“ mit und finden eine entsprechende Anpassungsstrategie. Sie erhöhen ihre Verbreitungschancen, indem sie Samen mit nahrhaften Anhängseln produzieren, auch Elaiosom genannt. Diese sind nicht nur reich an Fetten, Kohlenhydraten und Vitaminen. Insbesondere mit Ölsäuren beeinflussen sie das Sammelverhalten der Ameisen in ihrem Sinne. Wie im Sommerschlussverkauf im Handtaschenladen geraten die Arbeiterinnen förmlich in einen Sammelwahn: „Ach den Samen noch und den und den nehmen wir auch noch mit, den könnte ich eigentlich auch noch und wieso diesen eigentlich nicht…“
Das Endergebnis ist ein Gewinn auf beiden Seiten: mit dem Elaiosom können die Ameisen all ihre hungrigen Mäuler stopfen und die Pflanze bringt mehr Keimlinge hervor. Denn die Samen landen auf dem „Müllplatz“ – nicht nur ein sicherer sondern auch gut gedüngter Keimplatz.